Das schwerste Radrennen der Welt

Vier Tage ist es nun her, dass die Vuelta a Espana in Granada, in
Andalusien, begonnen hat. Dabei stellen sich Experten, Fans, Fahrer und
Teamleiter, wie bei jeder großen Rundfahrt dieselben Fragen. Wer wird der
beste Sprinter? Boonen, Bennati oder doch Zabel? Wer kann im Hochgebirge
glänzen? Contador, Anton oder Sastre? Wer gewinnt die Spanienrundfahrt?
Contador, Leipheimer oder Valverde?

Doch trotz all dieser Fragen, scheint den Direktor dieser Vuelta, Victor
Cordero, eine ganz andere deutlich mehr zu interessieren: Wer veranstaltet
das schwerste Radrennen der Welt?

Seit jäh her steht die Tour de France im Mittelpunkt des öffentlichen
Interesses, der Gesamtsieg ist ein Mythos und Etappensiege werden oft
wichtiger eingeschätzt als Erfolge bei den großen Klassikern. Drei Wochen im
Juli entscheiden oft, ob es sich um eine erfolgreiche oder eine
enttäuschende Saison handelt, weil bei vielen Fahrern dies der Mittelpunkt
und Höhepunkt der Saisonvorbereitung ist. 6 Monate schuften um sich bei der
Tour zu quälen, das ist der etwas unverständliche Reiz vieler Radsportler.
Die Tour ist etwas ganz Besonderes, das drittwichtigste Sportereignis der
Welt, im Radsport unantastbar!

Dies scheinen aber vor allem die Veranstalter der Spanien- und
Italienrundfahrt nicht zu akzeptieren.

Spektakel wird dort nun ganz groß geschrieben. Angelo Zomegnan, der Direktor
des Giro d’Italia, versucht seine Rundfahrt seit Jahren zu erschweren indem
er immer steilere Rampen in die Etappen einbaut und vor allem auch die
Anzahl der Anstiege pro Teilstück deutlich erhöht. In den Dolomiten wurde
Ende Mai dieses Jahres eine Etappe zum Fedaiapass gefahren mit 6 verschieden
Bergpässen, die jeweils mindestens 10 Kilometer lang waren. Die Krönung der
Etappe war der schwere Schlussanstieg im Marmolada-Massiv hinauf zum Passo
Fedaia. Das Spektakel hielt sich dennoch in Grenzen. Die Fahrer waren
eingangs des Schlussanstieges bereits klar erkennbar, deutlich entkräftet,
und konnten sich kaum mehr gegenseitig attackieren. Der Vergleich zur
Frankreichrundfahrt drängt sich auf. Dort standen heuer maximal 3 Pässe pro
Etappe auf dem Programm und die Fahrer waren am Ende meist noch frischer und
konnten angreifen.

Außerdem „glänzte“ der Girochef durch eine zusätzliche Erschwerung: Die
langen Transfers! Fahrer mussten oft fast 100 km lange Transfers mit dem
Mannschaftsbus zurücklegen um gegen 23 Uhr in den oft etwas fragwürdigen
Hotels Italiens anzukommen. Danach stand noch das tägliche Programm mit
Massage und Abendessen an, Die Fahrer schafften es selten vor 24 Uhr zur
Ruhe zu kommen.

Nun scheint auch Victor Cordero auf diese Strategie zu setzen: 5
Bergankünfte, dabei ein Bergzeitfahren. Außerdem steht wieder der extrem
steile Ziegenpfad zum Angliru auf dem Programm, ein Anstieg, der fast zu
schwer für ein Radrennen ist. Das traditionelle Einzelzeitfahren am
vorletzten Tag wurde in ein Bergzeitfahren umgeändert, dem Spektakel
geschuldet. Zusätzlich machen den Fahrern die Hitze sowie die trockene Luft
Spaniens große Probleme. Eine Tortur! Cordero muss aber noch mit einem
anderen Problem kämpfen, die stundenlangen Autobahnfahrten der Radsportler
langweilen oft, es gibt kaum winklige und technisch anspruchsvolle Kurse.
Das beeinträchtigt die Attraktivität des Rennens!

Während Christian Prudhomme, der Tourdirektor, den Humanismus des Radsports
einleiten will befinden sich Giro und Vuelta noch immer im finsteren
Mittelalter.

Der Radsport ist eine der wenigen Sportarten die von der Tradition leben,
deshalb können selbst die schwersten Hindernisse bei den beiden anderen
„Grand Tours“ die alten Hierarchien nicht verändern. Im Radsport gilt die
alte und ebenso treffende Weisheit: Es sind die Fahrer, und nicht die
Strecke, die das Rennen schwer machen. Das schwerste Streckenprofil
garantiert noch kein spektakuläres Rennen!

geschrieben von Jakob Fischer

Veröffentlicht von Florian

Medien-Blogger, Community-Manager, Sportfan.

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