Im 106. Jahr des Bestehens der großen Schleife in Frankreich wählt die ASO, der Veranstalter einen einfacheren Kurs als in den letzten Jahren. Dennoch ist es eine außergewöhnliche Tour und das in mehrerlei Hinsicht.
Die Tour beginnt wieder im Ausland, sie beginnt in Monte Carlo. Das Auftaktzeitfahren der Tour de France 2009 wird auf einem 15 Kilometer langen Kurs mit Start und Ziel in Monaco ausgetragen. Sieben Kilometer der Strecke führen über monegassischen, acht Kilometer über französischen Boden. Der erste und der letzte Streckenabschnitt verlaufen dabei auf den Straßen der Formel-1-Rennstrecke des GP von Monaco. Schön, dass auch das Fürstentum einmal wieder in die Tour eingebunden wird. Immerhin war dies seit 1964 nicht mehr der Fall! Es ist jedenfalls ein besonderer Reiz, diese Etappe zu gewinnen, da Monaco ein spezielles Pflaster ist. Ich denke, in der Stadt der Reichen und der geizigen Steuerzahler wird Cancellara kaum Konkurrenz fürchten müssen. Er war bei der Tour de Suisse in Topform, dürfte von dieser Verfassung aber noch einiges abrufen können. Es ist zwar kein Rollerkurs, was in zum absoluten Topfavoriten machen würde, aber auch ohnedies ist er für mich der große Favorit.
Auf der zweiten Etappe müsste demzufolge also Saxo Bank die Tempoarbeit für Cancellara machen, der an diesem Tag das maillot jaune nach 2007 zum nächsten Mal tragen würde.
Weniger glamourös geht es auf Teilstück 2 weiter: Die 2. Etappe führt von Monaco entlang der Mittelmeerküste, in Westrichtung nach Brignoles. Das hügelige Terrain der Provence dürfte den Sprintern einige Sorgenfalten auf die Stirn treiben.
Sehr selten kommt es vor, dass an einem 2. Tourtag schon so viele Berge auf die Sprinter warten, wie es an diesem Tag der Fall ist. Dadurch, dass es aber die erste Chance für die endschnellen Männer ist, wird die Motivation besonders groß sein sich am Ende zu duellieren. ´Deshalb sehe ich auch hier einen Massensprint auf die Fans zukommen. Wenn Cavendish keine gröberen Fehler macht, dann kann er diesen Sprint kaum verlieren.
Falls es aber trotzdem nicht klappen sollte für „Cav“, dann aber höchstwahrscheinlich einen Tag später: In La Grande Motte wartet eine reine Sprinterankunft am Mittelmeer. Die letzten85 Kilometer sind tellerflach.
Der 4.Tag bietet dann aber schon wieder mehr Stoff zur Diskussion. Das von den Fans so ungeliebte Teamzeitfahren ist wieder im Programm und keiner versteht warum? Viele, so auch ich, meinen dass es zum Glück nur ungefähr 40 km sind, die um Montpellier gefahren werden. Dadurch wird die Gefahr verringert, dass bereits hier einige Tourfavoriten den Sieg verspielen könnten. Die ASO und Prudhomme gehen vielleicht aber mit der Überlegung zu Werke, das Team mehr in den Mittelpunkt und Vordergrund stellen. Hier kommt es großteils auf das Mannschaftskollekiv an, der Einzelne spielt eine Nebenrolle.
Wie das Klassement ab nun aussehen wird, darüber wage ich keine Prognose. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass Columbia diese Disziplin bestimmen wird. Somit hätte vielleicht auch der Brite Cavendish ganz gute Chancen, in das gelbe Trikot zu schlüpfen. Vorausgesetzt natürlich, er hat bis dorthin den Rückstand vom Auftaktzeitfahren schon gutgemacht.
Auf der 5.Etappe geht es dann weiter Richtung Süden mit guten Chancen für die sprintschnellen Fahrer. Ein kleiner Hügel kurz vor Perpignan könnte aber womöglich einigen Ausreißern und Angreifern Chancen offenbaren. Richtig spannend wird es dann einen Tag später wieder! Eine Klassikeretappe wartet auf dem 6. Teilstück. Eine Fahrt in Ostspanien, von Gerona nach Barcelona wird absolviert. Die katalonische Metropole ist der südlichste Etappenort, der je bei einer Tour de France angesteuert wurde. Das ansteigende Finale an Barcelonas Hausberg Montjuich dürfte Klassikerjägern entgegen kommen.
Die Klassementfavoriten müssen auch auf der Hut sein, denn auf den ansteigenden letzten 2 Kilometern kann man leicht 5-10 Sekunden verlieren, wenn man an der falschen Position das Steilstück in Angriff nimmt. Es ist wohl sicherlich ein Tag für Spezialisten, wie Pozzato, Gilbert oder Allan Davis. Festlegen auf einen Sieger kann ich mich hier aber nicht. Nur so viel würde ich schon behaupten: Der Träger des gelben Trikots wird keine Probleme haben es zu verteidigen.
Die 7. Etappe ist die mythische Fahrt nach Andorra, nach Arcalis. Die deutschen Radsportfans kennen den Ort natürlich noch von der Tour 1997. Dort legte Ullrich damals den Grundstein zu seinem späteren Sieg. Ich glaube aber, es gibt deutlich schwierigere Bergankünfte als diese. Es scheint also fast unmöglich, hier wirklich 1-2 Minuten auf die Konkurrenten herauszuholen, da der Berg sehr gleichmäßig gefahren werden kann und keine absolut steilen Stellen drinnen sind. Es ist aber zugleich auch die erste Woche und die Fahrer werden sich wohl vorerst einmal beäugen, bevor sie sich wirklich attackieren.
Weh getan wird einander aus Erfahrung erst in der 3. Woche. Das hat auch der heurige Giro gezeigt, als die Veranstalter 2 schwierige Bergankünfte an den Tagen 4 und 5 eingeplant haben, aber jeweils keiner der Topleute wirklich attackiert hat. Die Kräfte werden die Favoriten in den Alpen noch brauchen, ganz sicher. Trotzdem finde ich es schade, dass man heuer nur eine Bergankunft in den Pyrenäen macht und dann noch eine solche. Allgemein kommt dieses Gebirge seit mittlerweile 2 Jahren sehr kurz. Eigenartig, dabei stehen die Pyrenäen mit ihren giftigen und steilen Rampen für Zeitabstände und Spektakel. Die Alpen sind doch einfacher zu fahren. 2007 haben Contador und Rasmussen in diesen Bergen die Konkurrenz „zerfetzt“, seitdem scheuen Prudhomme und die ASO die intensiven Pyrenäenabstecher.
Fast schon unfair, dass die beiden anderen Pyrenäentage zwar schwere Berge aufweisen, aber eben auch lange Flachstücke vor dem Ziel. Damit verfehlen die Anstiege, wie der Tourmalet oder der Aspin ihre Wirkung und Ausreißergruppen werden die Teilstücke bestimmen. Wenn die Fahrer die Pyrenäen in Tarbes verlassen und ihren ersten Ruhetag einlegen, wird man aber konstatieren können, dass alles noch offen ist. Wo sollte ein Fahrer bisher richtig viel Zeit herausgeholt haben?
Außer dem Ventoux wartet kein wirklich schwerer Schlussanstieg. Damit zwingt Prudhomme, der Direktor einerseits natürlich zur Initiative um auch auf den etwas leichteren Bergen Druck auszuüben, aber bietet zugleich auch einiges an Angriffsfläche für die verbalen Angriffe der Girochefs Zomegnan, der sich schon öfters mit der Tour auf Augenhöhe sah bzw seinen Giro als schwieriger einschätzte.
Geschrieben von Jakob Fischer
Teil 2 hier: