Die Königsklasse des Motorsports ist zurück – Die Formel 1 startet in eine neue Saison. Mit dabei ist auch Sky-Kommentator Sascha Roos, der uns im Interview nicht nur Einblicke in seine Arbeit gibt, sondern auch begründet, warum wir uns auf die neue Saison freuen können.
Hallo Sascha, in genau zwei Wochen geht es wieder los. Die neue F1-Saison startet in Melbourne. Du bist für Sky als Kommentator natürlich wieder live dabei. Wie groß ist die Vorfreude?
Sehr, sehr groß. Gerade nach den gewaltigen Regeländerungen, die es vor dieser Saison gab. Dadurch ist natürlich auch eine unglaubliche Ungewissheit da. Nicht nur wer den Auftakt gewinnen wird, sondern auch wer überhaupt ins Ziel kommt.
Blicken wir etwas zurück. Du hast im letzten Jahr für viele überraschend den Platz von Jacques Schulz eingenommen. Es sind wohl mit die schwersten Fußstapfen überhaupt. Wie überraschend kam diese neue Aufgabe für dich?
Es war natürlich sehr überraschend und ich hatte damit auch überhaupt nicht gerechnet. Es war vor einem Jahr auch lange nicht klar ob und in welcher Form die Formel1 überhaupt bei Sky stattfinden wird. Nachdem der Vertrag mit der FOM unterschrieben war, musste es dann ziemlich schnell gehen – auch mit meiner Entscheidung.
Viele kannten dich natürlich bereits vom Fußball. Die Motorsport-Fans von den Übertragungen der GP2. Mittlerweile stehst du als F1-Kommentator natürlich im Mittelpunkt. Hat sich für dich, was die Außenwirkung angeht, etwas verändert?
Natürlich, ich stehe schon mehr im Schaufenster. Aber es ist doch schön, wenn man wahrgenommen wird.
Verspürst du nun einen größeren Druck, entsprechend abliefern zu müssen?
Den Druck mache ich mir selber, aber den habe ich mir auch schon früher gemacht. Von der Sky-Motorsportredaktion und meinen Vorgesetzten bekommen ich den nicht. Ganz im Gegenteil, die versuchen mich wo es geht zu unterstützen und Druck zu nehmen.
Was ich total positiv fand. Viele der langjährigen F1-Fans waren absolut fair, was deine Person anging. Das ist heutzutage leider nicht selbstverständlich. Gerade wenn man die F1-Fans von Sky kennt, ist das nochmal höher zu bewerten. Ist dies auch ein Ansporn, denen zu zeigen: „Ja, ich kann es.“
Das ist Richtig, es ist leider nicht selbstverständlich, dass fair miteinander umgegangen wird. Aber ich bin ja auch nicht als großer „Sprücheklopfer“ angetreten, sondern einfach so wie ich bin. Leistung abliefern, auf journalistisch korrektem Niveau, mit dem Willen sich immer weiter in allen Bereichen zu verbessern. Das ist auch mein Anspruch und Ansporn an die kommende Saison.
Wie groß war die Umstellung für dich, nicht mehr im Container zu sitzen, sondern nun live an der Rennstrecke mit so vielen verschiedenen Eindrücken?
Im Endeffekt schlüpfe ich in die Rolle meiner beiden Kinder. Die sind 2 und 4 Jahre alt und saugen alles auf, wie ein Schwamm. Egal, ob es in den Augen der Erwachsenen noch so banal erscheint. Die bekommen Dinge mit, die für uns einfach selbstverständlich sind. Und so geht es mir an den Rennstrecken. Allein das Gefühl, wenn die Motoren angelassen werden und alles vibriert, wenn es im Bauch kitzelt und die Ohren stechen ist Einzigartig und unbeschreiblich. Die Dimensionen der Anlagen und diese wahnsinnige Logistik ebenso. Von all diesen Dingen bekommst Du natürlich in einer sterilen Box am Ende der Welt nichts mit.
Kritik gibt es zum Teil noch daran, dass du noch nicht so richtig aus dir herauskommst. Die fehlenden Emotionen werden manchmal bemängelt. Du bist nicht Jacques Schulz, sondern ein ganz anderer Typ. Kann man an den Emotionen etwas tun oder wärst du am Ende nicht mehr du selbst, wenn du Emotionen spielst, die du nicht fühlst?
Es ist immer die Frage, was ist Emotion? Ist es ein gesetzter Schrei, weil im 2. Freien Training einer ins Kiesbett rutscht, oder ist es das lebhafte Schildern des Starvorganges ohne dabei die wichtigen Dinge zu übersehen? Emotion muss zur Situation passen und muss vor allem von Innen heraus kommen – nur dann ist sie echt und authentisch. Sich vorzunehmen, jetzt „hau ich mal einen raus“, ist nicht meine Art.
Wie wichtig ist für dich als Kommentator, einen Mann wie Marc Surer neben dir zu haben? Wie sehr profitierst du in deinem Kommentar davon?
Marc Surer ist der beste Experte, den es gibt! Sachlich und fachlich unschlagbar und einzigartig. Keiner bringt komplizierte, technische Details so auf den Punkt, wie er. Ich freue mich jetzt schon, wenn er ab dem 1. Freien Training in Australien die neuen Regeln und Veränderungen an den Autos erklärt. Und genau deshalb hat er mir beim Start in die Formel 1 so geholfen und ich profitiere jedes Rennen davon.
Bist du zufrieden, wie es in der vergangenen Saison mit euch im Kommentar gelaufen ist? Oder siehst du noch kleinere Stellschrauben, welche sich noch etwas besser einpendeln müssen.
Es geht immer besser! Ich denke aber, dass es im Großen und Ganzen in unserer ersten gemeinsamen Saison sehr gut funktioniert hat. Man darf ja nicht vergessen, dass Marc 16 Jahre lang einen anderen Partner an seiner Seite gehabt hat. Jemand, der das nicht wusste, ist das wahrscheinlich gar nicht aufgefallen.
Was ist für dich momentan die größte Herausforderung in deinem Job als F1-Kommentator? Gibt es da etwas?
Jedes Rennen ist ja irgendwie anders, man sollte relativ schnell die Story lesen können und das ist bei all den verdeckten technischen und taktischen Möglichkeiten meist schwierig. Vor allem wird es in der kommenden Saison mit all den Änderung nicht leichter.
Was für viele Leser sicherlich interessant ist. Wie bereitest du dich auf die Rennen vor? Welche Infos gibt es vom Sender, was suchst du dir selbst an Infos heraus? Was ist für dich relevant?
Ich muss natürlich meine Hausaufgaben machen. WM-Stand, Fahrer-Biografien, Strecke kennen, ein bisschen die Historie studieren und selbstverständlich die aktuellen News im Kopf haben. All das bekomme ich direkt aus den Fahrerlagern der Rennstrecken, durch Gespräche mit Journalisten-Kollegen und hauptsächlich durch eigene Recherche bei Teams, Managern und Fahrer. Jetzt bei den Testfahrten hänge ich aber fast dauernd im Internet, ich verfolge was passiert, wer welche Probleme hat und wer im Soll ist.
Bald geht es nach Melbourne. Sind diese Reisen, die natürlich auch stressig sind, im Grunde auch ein Faktor, die diesen Job so besonders machen?
Natürlich, ich habe kein Problem mit Langstreckenflügen. Ich finde das spannend. Wer kann schon von sich behaupten in einem Jahr 4,5 mal um die Welt geflogen zu sein. So knapp 180.000 km waren es nämlich 2013.
Wie viel bekommt ihr auf euren Reisen zu sehen? Hat man da mal einen halben Tag Zeit, um sich etwas anzuschauen?
Das ist leider relativ schwer, denn bei Überseerennen reisen wir meist am Mittwoch an. Bis wir dann im Hotel sind ist es meist Nachmittag und dann steckt dir häufig die Zeitverschiebung in den Knochen. Ab Donnerstag bleibt Dir nur der Weg vom Hotel zur Strecke und wieder zurück. Am Abend sind die Möglichkeiten dann auch begrenzt, weil am nächsten Morgen wir meistens ziemlich zeitig zur Rennstrecken aufbrechen. Bei Back to Back Rennen ist das besser, nach Rennen 1 sind dann zumindest der Montag und Dienstag für Touri-Touren verfügbar. Das habe ich zum Beispiel in Korea mit 2 Tagen in Soul genutzt.
Wie muss man sich das Leben auf diesen Reisen vorstellen? Eine Mischung aus Team-Meeting, fahren an die Strecke, Soundcheck, kommentieren und zurück ins Hotel? Gib uns doch mal einen Eindruck, was hinter den Kulissen so passiert, auch vom Ablauf her.
So ungefähr ist das schon…Beispiel Samstag: Da fahren wir vom Hotel um 7Uhr45 los, kommen zwischen 8Uhr15 und 8Uhr30 an der Strecke an. Wers im Hotel nicht mehr geschafft hat, nimmt schnell einen Kaffee und ein Frühstück im Produktionscontainer im Stehen und wartet auf die Besprechung um 8Uhr45. Da geht’s um einzelne Positionen für das 3. Freie Training, was ist unser Thema, wer wird interviewt, haben die Anfragen einzelner Protagonisten funktioniert, oder gibt es irgendwelche Dinge, die unbedingt angesprochen werden müssen?
Ab 9Uhr schaue ich auf dem Weg zur Kommentatoren-Kabine im Fahrerlager vorbei. Ein kurzer Rundgang bei den Teams, schneller Plausch mit Kollegen und ein kleiner Sprint durch die Boxengasse. Wer schraubt noch, wer hat was verändert, gibt’s neue Teile? Dann wird’s aber schon Zeit für den Weg ans Mikro.
Ab 9Uhr45 machen wir meist eine kleine Probe und dann startet das 3. Freie Training. Ist das ohne große Schwierigkeiten rum, ist Mittagspause. Wieder Imbiss im Container, wieder Besprechung, wieder Infos aus dem Fahrerlager, wieder Check der Fahrzeuge und dann schnell hoch zu Marc in die Box.
14Uhr Qualifying: das bedeutet anderthalb Stunden höchste Konzentration und unglaubliche innere Freude Teil der Formel 1 zu sein.
Gegen 16Uhr werden wieder Informationen eingesammelt von den vielen Quellen, die es da gibt und dann Besprechung für Sonntag. Ich setze mich dann meistens in den Schnitt und suche mir die wichtigsten Szenen für die Qualifying-Zusammenfassung, die ich ja am nächsten Tag in der Vorberichterstattung präsentiere.
Bis wir dann die Strecke verlassen ist es in der Regel nach 18Uhr. 30-45 Minuten später, Ankunft im Hotel, duschen, umziehen, Treffpunkt zum Abendessen 20Uhr00. Zweieinhalb Stunden später falle ich meistens komplett KO ins Bett – es wartet schließlich ein tolles und beeindruckendes Rennen auf mich.
Sprechen wir ein wenig über Social Media. Du bist unter @Sky_SaschaR auch bei Twitter unterwegs. Das war bei deinem Vorgänger nicht der Fall, was dir die Fans auch hoch anrechnen, genauso wie die Eindrücke von deinen Reisen, Bilder aus der Kommentatoren-Kabine oder aktuellen Infos von der Strecke. Wie gefällt dir dieser neue Weg der Kommunikation, auch mit den Zuschauern?
Ich möchte den Zuschauern die Dinge zeigen, die mich faszinieren, Dinge, die ich auch meinen Freunden erzähle. Die mich fragen: „wie wars denn da?“ „wie schaut es denn da aus?“ „was macht Ihr da überhaupt?“ Das faszinierende an Twitter, ist für mich die unglaubliche Geschwindigkeit Informationen unkompliziert verbreiten zu können.
Was viele Leute sicherlich interessiert: Schaust du dich ab und an auch mal in den entsprechenden Foren und Blogs um? Über die Formel 1 bei Sky wird ja doch einiges geschrieben. Auch Gerüchte zu Sendekonzepten oder Verbesserungsvorschläge sind durchaus beliebt.
Ich finde es toll, wenn sich die Zuschauer Gedanken um Formel 1 machen. Viele Vorschläge oder Ideen sind grandios, allerdings manchmal nicht immer so einfach wie es scheint umsetzbar. Uns sind leider manchmal aus diversen Gründen die Hände gebunden.
Letzter Satz zur Formel 1 auf Sky: Worauf können sich die Sky-Zuschauer ab der neuen Saison besonders freuen?
Endlich – und das war ja auch ein heißdiskutiertes Thema – sind alle sogenannten Subfeeds im Vollbildmodus verfügbar. Es wird die Fanzone geben, bei der der Zuschauer in der linken Bildhälfte das Hauptsignal sieht und in der rechten Bildhälfte die Subfeeds (Onbord, Timingpage, Pitlane, und Tracker) mit dem Cursor kann jetzt ganz komfortabel das gewünschte Signal ausgesucht und angewählt werden. Mit einem einfachen Klick erscheint es dann im Vollbild.
Außerdem starten wir am Sonntag mit der Vorberichterstattung 15Minuten früher. Der Zuschauer kommt so in den Genuss der Fahrerparade und kann schneller und intensiver die einzigartige Atmosphäre an der Rennstrecke aufsaugen.
Ein ganz großes Plus wird definitiv ein neues und extrem innovatives Analysetool sein. Marc kann damit noch präziser Taktiken, Fehlverhalten und atemberaubende Manöver erklären. Zentimetergenaue Abstandsmessung, Beschleunigung usw. inklusive.
Kommen wir auch noch, „ja wirklich“, zum sportlichen. Bei Red Bull läuft es noch nicht so wirklich. Bekommt das Team bis zum Saisonstart ein Auto auf die Räder gestellt, welches um den Sieg mitfahren kann?
Nein, das ist meiner Meinung nach nicht möglich. Den Vorteil, den die Mercedes angetriebenen Teams, oder Ferrari haben, können die nicht wettmachen. Wenn in Melbourne die Silberpfeile schon an der streckenspezifischen Abstimmung feilen, muss Sebastian Vettel wahrscheinlich noch an der Basis arbeiten.
Spannend fand ich im Bezug auf Red Bull die Verpflichtung von Daniel Ricciardo als neuen zweiten Fahrer im Team. Kann er vorne mitfahren? Oder ist eher eine Art Backup für Sebastian im Kampf um die Weltmeisterschaft?
Ich denke, dass es schon ein paar Monate dauern wird, ehe Ricciardo ein Podiumskandidat ist. Gerade jetzt, wo das Auto noch überhaupt nicht da ist, wo es eigentlich sein sollte.
Bei Mercedes läuft es derweil richtig gut. Welche WM-Chancen räumst du ihnen ein?
Die sind für mich aktuell der heißeste Titelanwärter. Problematisch kann es nur dann werden, wenn Hamilton und Rosberg von Teamkollegen zu Rivalen um den Titel werden.
Blicken wir auf Ferrari. Man schaut weniger auf das Auto, sondern eher auf die beiden Fahrer. Kimi Raikönnen und Fernando Alonso in einem Team. Geht das gut? … oder sind beide Profis genug, damit sie sich nicht in die Quere kommen?
Sie sind wie fast alle F1-Fahrer Alphatiere und dann auch noch ganz ausgeprägte. Auch hier kann ich mir nicht vorstellen, dass es da im Ernstfall ruhig bleibt. Der eine wird vielleicht unfair, der andere könnte eine gewisse „mir doch egal“ Mentalität entwickeln. Eigentlich wäre es schön dieses Szenario eintreffen zu erleben, oder?
Absolut. Welches Team wird die Überraschung der Saison?
Nach jetzigem Stand Force India. Spannende Fahrerpaarung, Mercedesantrieb und innovative Mannschaft.
Natürlich auch noch die Frage zum Weltmeister. Vettel? Oder hast du einen Geheimtipp?
So Geheim ist der Name Rosberg nicht ;-)
Regeländerungen gibt es viele zur neuen Saison. Wie bewertest du die Einführung von doppelten Punkten beim Saisonfinale in Abu Dhabi? Ist es fair, die Spannung auf diese Weise zu hypen?
Ich finde das Quatsch – man sollte ein Rennen nicht über die anderen in der Wertigkeit stellen.
Generell gab es in der letzten Saison Kritik daran, dass die Rennen zu langweilig waren. Wie gesagt, ändert sich nun einiges, auch technisch. Wird die Saison spannender als die letzte? Kannst du den Zuschauern da etwas Hoffnung machen?
Vorweg, die erste Saisonhälfte 2013 fand ich alles andere als langweilig. Dank Pirelli gabs doch da einiges…Das es in diesem Jahr überraschender wird, ist wohl absehbar: viele stochern noch im Trüben, keiner weiß genau wie sich die neuen Motoren auf Dauer schlagen, es gibt einige nicht kalkulierbare Dinge. Außerdem ist die ganze Situation um Red Bull und Sebastian Vettel natürlich wie gemalt für eine spannende Saison. Schafft es das Weltmeisterteam wieder? Bekommen es die Überflieger der letzten 4 Jahre hin, nach dem Desaster der Wintertests den Anschluss herzustellen? Wie geht der Erfolgsverwöhnte Sebastian Vettel mit dem Stress, Druck und den möglichen Enttäuschungen um? Was passiert bei Ferrari? Holen die Silberpfeile endlich wieder mal einen Titel? So viele Fragen und so viele Möglichkeiten, besser und aufgeregter kann man doch gar nicht in eine neue Saison starten!!
Letzte Frage – Wann beginnt bei dir das Bauchkribbeln? Schon beim Flug nach Australien oder zum ersten Freien Training?
Das hat mit Beginn der letzten Tests in Bahrain schon angefangen und als ich letzte Woche den F1-Jahresrückblick 2013 gesehen habe (läuft übrigens auch auf Sky-Sport).
Vielen Dank für das Interview und deine Zeit. Auf eine tolle F1-Saison 2014!
Interview von Florian Hellmuth
Das ist doch mal ein richtig schönes Interview mit unserem Sky_Sascha. Eines meines Highlights und Favoriten. Weiter so.
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Klasse Interview.
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Meinen Respekt, ein gut geführtes Interview mit einem lockeren Sascha Roos. Hatte bis jetzt leider noch nicht die Chance ihn einmal persönlich zu treffen.
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Tolles und vor allem ausführliches Interview. Sascha Roos hat sich das letzte Jahr in seinem ersten Jahr in der Formel 1 ganz gut gemacht und wird in diesem Jahr mit Surer noch besser harmonieren. Einen Jacques Schulz wird niemand ersetzen können, aber das ist auch nicht sein Anspruch!
Auch ich kann es kaum noch erwarten bis zum Saisonstart! Freue mich schon aufs frühe aufstehen!
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